Wo ist der nächste HotPot?

2016-03-27:

Deja vu – die Fülle der Infos erschlägt mich. Zu Island hat anscheinend jeder was zu sagen, zu schreiben, zu filmen – der komplette Medienstress. Ob das so eine gute Idee ist, in eine Gegend zu fahren, wo derzeit augenscheinlich alle hin pilgern? Außerdem zeigt sich, dass die Gruppenmitglieder sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Organisation dieses Urlaubs haben. Ich bekomme Anfälle von: mit Rucksack absetzen, ohne Auto und alleine – Fluchtkorridore. Nun lese ich zur Beruhigung die Edda und die Sagas (und finde Tolkien’s Zwerge). Sowie den Reisebericht von Ida Pfeiffer. Auch Frau Mortimer weiß wie immer Unerfreuliches vom Reiseland zu berichten. Ein unsicheres Land – manchmal fließt heiße Lava – und was sind die Leute schmutzig (das meint auch Frau Pfeiffer). Die beiden Damen entstammen den 19 Jahrhundert, immerhin jünger als die Edda; somit stehen mir über viele Jahre gut gereifte Informationen zur Verfügung. Dazu Filmberichte über die Musikszene in Reykjavik, die Energieproduktion im Land, Gletscher und Vulkane; nun, die sind etwas aktueller. Perfekte Vorbereitung für einen touristischen Islandtrip Anfang des 2016….

Nun ich habe Punkt eins auf der Karte und den Vorabnotizen eingezeichnet (nach vorsichtiger Konsultation eines Reiseführers aus diesem Jahrtausend) – netter Platz, bloß kommen wir da nach der derzeitigen Planung nicht hin. Immerhin ein Anfang. Elfen und Trolle halten sich mit Ratschlägen noch zurück. Am 20ten Juni soll’s los gehen.

 

2016-06-22

Es faucht und stinkt, bunt ist es auch, und kalt. Ein Schleifchen zu Fuß im Kerlingarfjöll bietet schon vieles von dem, wofür Island berühmt ist. Kalte Ohren inbegriffen, es zieht ordentlich. Wir sind mit einem Zwischenstopp über Laugarvatn direkt zum ersten Höhepunkt der Rundreise gefahren. Kein Wunder, dass auch in aufgeklärten Zeiten dubiose Gestalten Island bevölkern, zumindest für den phantasiebegabten Einwohner oder Besucher. Bild, Ton und olfaktorische Beigaben sind wirklich beeindruckend, bitte mehr davon (nur von den ersten beiden)! Der Tag schreitet voran, wir laufen über den Höhenweg zurück, und stellen uns pragmatisch bereits den nächsten Programmpunkt vor: den Hotpot in der Nähe des Campingplatzes.

 

2016-06-26

Ich sitze in Reykjavik, in einer dubiosen Kneipe, vor Tagebuch und hochpreisigem Bier. Falscher Ort, falsche Zeit. Nicht genug, dass die Post Probleme damit hat, vergessene Medikamente hinterher zu schicken, was uns schon davon abhält, endlich weiterzufahren. Gestern Teil zwei der Pannen: vor den drei Trollen an der Südküste verabschiedet sich das Objektiv meiner Kamera, was die durch lärmende und rücksichtslose Bustouristen zusätzlich strapazierten Nerven entgültig kappt. Ich will nach Hause…. Unser Duo muss zurück an den Zeltplatz. Dort hängen verknitterte Überreste von Abi- und Highschool-Party Variante Island herum. Und der offenbar überall auf der Welt vorkommende nette, bärige Mitschülers, der sich um alle/s kümmert, nicht tags zuvor bis zur Oberkante betrunken war und Damen aus der Klasse wieder nach Haus fährt. So bekomme ich einen vorzüglichen Anhalterplatz, um „schnell mal“ in die Hauptstadt zu fahren – einziger Platz im Lande um sofort einen Objektiversatz zu bekommen. Aber erst am Montag, also stolpere ins Public Viewing der Fußball-EM auf dem Stadtplatz im alten Stadtkern. Die Isländer machen friedliche Happenings aus diesem Event, somit ist die kontinuierliche mediale Präsenz der überbezahlten Balltreter selbst in der abgelegensten Kneipe auch in den nächsten beiden Wochen erträglich.

 

2016-07-02

Bakkagerdi. Papageientaucher zum anfassen – Belohnung für absolutes S..wetter der letzten Tage. Der Weg hierher führt an viel Landschaft mit noch mehr Schafen vorbei, tangiert Gletscher, Wasserfälle und Orte mit z.T. erstaunlichen Namen: Seljslandsfoss, Staffafell, ..  Kirkjubaejarklaustur. In Höfn zu übernachten klingt dann fast banal. Jedenfalls werden die bunten Vögel fotografiert und gefilmt, bis die Finger abfrieren. Nach dem einsammeln eines ziemlich bunten/ ziemlich schweren Steins geht’s dann endlich wieder gen Westen. Der Weg führt an einer Zillion Wasserfälle vorbei, z.T. Autofahrergerecht direkt neben der Strasse (die phasenweise über Asphalt führt). Wasser, Wasser … von oben, seitlich, unten. Und über dem nächsten Bergrücken ist wieder: Schotter, grau, Vulkankegel, kalt – bin ich noch auf der Erde?

 

2016-07-04

Laugar. Wir haben uns etwas abseits des Touristen-Hotspots am Mückensee – Myvatn niedergelassen, netter Platz mit isländisch-schwäbischen Betreiberpäarchen. Heute war Mordor Teil 3 dran (Teil 1: Fahrt von Strasse Nr. 30 an Hekla vorbei, Teil 2: Richtung Myvatn über die Strasse 924/901), heute: Krafla und Umgebung. Egal ob’s über die Überreste des Krafla-Feuers geht, Leirhnjukur; Gjastykki, Dimmuborgir, die Pseudakrater im/am Myatn, das Hochtemperaturgebiet Hverarönd – das ist genau das, was ich sehen wollte. Es ist wieder bedeckt, kalt und windig; die Kulisse gigantisch-schaurig.  Ich kann mich nicht satt sehen. Zitternd versuche ich ein bisschen was davon auf dem chip der Kamera zu konservieren.  Der bei uns bekannte Eyjafjallajökull (dessen Aussprache ich mit Einheimischen fleissig mit mäßigem Erfolg übe) gehört bei den isländischen Vulkanen eher zu den Kleinen. Hekla ist überfällig, hebt sich seit Jahren, und ich stelle mir gelegentlich vor, sie geht hoch: wenn über Europa für ein paar Monate oder noch länger per Flugzeug nichts mehr geht, Island komplett evakuiert werden muss, Asche bis nach Europa kommt, in weiten Teilen Europas die Ernte komplett ausfällt und wir alle für zwei, drei Jahre mit Maske rumlaufen müssen wegen schwefelsaurer Luft und Niederschlägen. Alles drin – auch schon übermorgen. Nicht so witzig wie Kino, dafür live und in Farbe frei Haus.

Zur Entspannung von solchen Gedanken und kalten Fingern geht’s heute noch ins Naturbad. Umgeben von reichen Schweizern, Chinesen und anderen Nationalitäten mit  entsprechendem Kleingeld wärmen wir uns auf. Und ich träume von einem kleinen Ausbruch JETZT, den ich mir ohne Mattscheibe dazwischen anschauen darf. Nicht alle Träume sind vernünftig, aber dafür weniger langweilig.

 

2016-07-08

Reykjavik. Die Reifen des Busses, der mich über die F26 über das Hochland westlich des Vatnajökull wieder in bewohntere Gegenden gebracht hat, sind beeindruckend. Noch beeindruckender, dass das Gefährt bei der Schotterpiste nicht liegenbleibt. Und Mars liegt wirklich hier am Straßenrand, ich hab’s gesehen: alle Bilder der Mars-Rover – alles hier gedreht (..sagen die Verschwörungstheoretiker). Tatsache ist, das die NASA schon zum Trainieren hier her gekommen ist, und zusammenfassend eignet sich das alles hier auf der Insel perfekt für jede Art von Science Fiction und Fantasy Filmen, und diese Tatsache wird ja auch schon hinreichend genutzt.

Na, jetzt sitzen wir hier in der Hauptstadt. Nachdem endlich das letzte Fussballspiel vorbei ist (in dessen Strudel ich noch hineingeraten bin), durchkämmen wir Museen, Cafes, Läden. Das geht auch gerne um Mitternacht, dunkel wird’s kaum Anfang Juli. Eine ortsansässige Künstlerin erzählt uns von den üblichen Nebeneffekten rasant ansteigender Touristenzahlen. Burger gibt’s in einem Cafe, das einen farblich sortierten Bücherschrank mit einem Waschsalon kombiniert. Die Stippvisite bei den Nachfahren expatriierter Norweger endet mit klassischen, isländischen Liedern.