Tag 0: Anreise
Wir kommen spät weg, machen dann Station in einem netten Café in Shawville: „Cafe 349“, welches noch ein Ausstellungspaddel von Dot beherbergt. Eile ist nicht angesagt, alles dauert dann doch und es wird spät – nach dem Input am Temagami Lake käme noch paddeln und Platz suchen, aufbauen etc – da wird’s dann ziemlich dunkel. Wir beschliessen Station in North Bay zu machen.
Wie immer steckt der Teufel im Detail – wir lernen: reserviere niemals telefonisch mal schnell über‘s handy. Bei unserem Versuch an der Tankstelle bricht das Chaos aus – der Vermittler bucht uns ein Hotel in Alabama (Roadhouse Inn’s gibt’s eben nicht nur in einem Ort dieser Welt). Wir merken das leider erst etwas später und machen dann das, was eigentlich immer geht: zu einem Motel fahren, fragen, einchecken, fertig. Es dauert ewig um die Fehlbuchung rückgängig zu machen. Zur Entschädigung gibt’s ein Abendessen im Himalaya Café, auf der Main Street.
Tag 1: Sliding Rock Place
Endlich kommen wir an den Input an einer Marina, wir werden nach etwa einer Woche wieder hier herauskommen. Das Wetter ist gut bis wechselhaft, wir paddeln mit Seiten- und Gegenwind, Schauer gibt’s auch. Und doch: obwohl wir noch in Cottage Country mit ein paar Motorbooten sind (lustige schwimmende überdimensionale Schuhkartons ziehen vorbei: mietbare Hausboote für den Wochenendtrip) geht’s uns im Boot einfach gut.
Lunch time – wir suchen einen schönen Platz. Nun ist auch hier wie zu Hause in Deutschland Niedrigwasser, was mir zum Verhängnis wird. Ich unterschätze beim Aussteigen die Rutschizität des nun offen liegenden bemoosten Felsens und rutsche sachte aber unwiderstehlich ins Wasser, und das vollständig. Merke: auch beim Aussteigen sollte frau sich konzentrieren; Der tückische Sliding Rock Place sieht zwar schön aus, aber gegessen wird jetzt woanders. An unserem ersten Zeltplatz legen wir mit erhöhter Aufmerksamkeit an, so auch die nächsten Tage. Wind und Sonne legen meine Klamotten zügig trocken, und einem genussvollen Abend steht nichts im Wege,
Tag 2: ..Richtung erste Portage
Wir erreichen das Ende des Lake Temagami und quasi den letzten Zeltplatz auf einer kleinen Insel vor der ersten Portage. Loons machen sich bemerkbar, tagsüber eine tolle Herbststimmung, und abends wir können ein kleines Feuerchen machen. Zum Zustand der Feuerstelle etc. habe ich weiter unten am Ende des Textes ein paar Anmerkungen – richtig gut wird’s in der Gegend erst immer nach der ersten Portage.
Tag 3: Rock Portage
Rock Portage – und das gleich nach dem Frühstück. Voller Elan legen wir etwas zu früh an und trage ich trage sofort ohne einschalten des Hirns freudestrahlend meine erste Ladung Gepäck zum anderen Ende. Unterwegs dämmert mit beim Blick nach links, dass ich mir die eine Hälfte hätte sparen können – wir können daher die nächste Gruppe auf den kleinen Kanal umleiten, der die Lauferei verkürzt. Rock Portage – na der Name wäre eher was für den nächsten Tag gewesen, das Stückchen war dann doch vergleichsweise harmlos. Wir treffen eine Gruppe aus diversen Ecken der USA, deren Durchschnittsalter noch erkennbar höher ist als unseres – paddeln hält eben fit.
Vor uns liegt der Diamond Lake, der seinem Namen alle Ehre macht. Unterhalten werden wir durch zahlreiche Wechsel zwischen Gegen- und Schiebewind, am Himmel kämpfen mehrere Wettersysteme miteinander, meine Rübe sagt mir das auch und brummt vor sich hin. 1993 war Hochsommer und erinnere mich, dass wir damals extrem leichtbekleidet paddelnd ein paar wohl der eher prüden Einheimischen ziemlich verwirrt hatten.
Bis zum Zeltplatz geht’s dann gegen den Wind. Die Zelte verbergen sich zwischen den Bäumen, die Küche wird mit dem Tarp geschützt. Und draußen schmeckt’s wie immer am besten.
Tag 4: Große Steine
Zwei Umtragestellen getrennt durch 500m auf einem Minisee folgen heute. Nach dem Gebläse gestern geht’s friedlich zur ersten Portage. Wie schon gesagt, der Wasserstand ist niedrig, was uns (nicht nur hier) viel Schlamm beschert, hier vermengt mit dicken Steinen. Rock Portage wäre hier der als Name eher angebracht als gestern – die Riesenbrocken lassen den Weg zur anderen Seite kaum erahnen. Während wir das Boot über die erste Felsenstrecke zerren, kommt eine Armada von Highschoolkids. Nette Truppe, einer der Jungs bietet Dot Hilfe an als ich gerade von der ersten Runde Packsack umtragen zurückkomme, und nimmt mir einen Teil der ersten Strecke ab, was mir ganz recht ist; es bleibt ja noch zum Tragen übrig. Wir futtern am Minisee, genießen die Aussicht, nutzen die Kamera. und dann erledigen die zweite Portage, die vom Gelände her erheblich einfacher ist. Ich habe absolut keine Erinnerung an die Felsen beim ersten Teil – was wieder beweist, wie selektiv unser Gedächtnis ist. Aber den Minisee – den habe ich direkt wieder erkannt. Und wir landen nach der kompletten Umtrageeinheit und noch etwas paddeln an demselben Platz wie 1993 am Wabakimika Lake. Sandstrand, der Wind schläft ein, und es herrscht absolute Stille. Die tierischen Besucher beschränken sich auf Chipmonks, Mäuschen, Unken und ein paar verirrte Sandflies, Schnaken und Blackflies.
Tag 5: Biber und Segler
In der Nacht dreht der Wind auf Nord, ist eisig kalt. Ich wache auf, stecke die Nase raus. Die ersten Gruppen Gänse fliegen unter lautem Spektakel im Dunkeln gen Süden. Der Herbst ist definitiv da.
Morgens dann eine nette Abwechslung – der Weg zum Obabika Lake führt über das kleine Bächlein Obabika River. Erst muss man mal den Eingang im Schilf finden, dann ein bisschen schieben (wenig Wasser!), und ein paar Biberdämme überwinden.
Als ich das erste Mal hier war, liefen gerade die Kämpfe um die Nutzungsrechte an den Wäldern hier zwischen den Indigenen – hier die Anishnabai – und einer Holzfirma. Ich erinnere mich an die Brücke für die Holztransporter, die wir damals durchfahren hatten: das Außengerüste stand noch, die Protestierenden hatten die Balken in der Mitte rausgeschnitten – ein local, den wir damals trafen, schmunzelte vor sich hin mit der Bemerkung, das sich da wohl einige sehr wundern würde. Der Streit ist lange beigelegt, der Wald geschützt, die Brücken entfernt und die Gegend zum Teil 1996 unter Parkverwaltung gestellt worden. Die Brücke resp. was davon übrig ist erkenne ich wieder – die Natur hat sich einen Teil schon zurückgeholt.
Danach Lunch am Sandstrand im Sonnenschein, dann gibt’s gnädigen Mitwind, den wir bis zur nächsten Portage nutzen: Sonnenschirmsegeln. Der Zeltplatz ist nicht der Rede wert, da war die Info auf der Karte einfach falsch. Aber macht nichts, Sonnenuntergang gibt’s ja auch so.
Tag 6: Tragen und Paddeln
900m tragen zum Obabika Inlet, das zu einem der Arme des Temagami Lake gehört. So stapfe ich mit Portagesack und dem Küchenrucksack quer darüber durch den Wald. Zwischendurch erscheint die Chipmunk-Patrouille, stellt sich aufrecht mir mitten in den Weg – und wird dann doch als ich näher komme vom Mut verlassen, verschwindet zwischen den Büschen. Größere Bewohner der Gegend halten sich bedeckt, es sind noch zuviele Paddler unterwegs. Zur Belohnung gibt‘s anschließend Sonne und einen Zeltplatz mit viel Aussicht. Und wieder schläft der Wind ein, Gänsesäger kommen vorbei. Bullwinkle ruft zwar immer noch nach der Verwandtschaft, aber Elche lassen sich trotzdem nicht blicken.
Tag 7: und der Kreis schliesst sich
Und wieder zurück Richtung Heimat. An diversen Inseln und Durchfahrten vorbei finden wir auch wieder den Platz, an dem wir eine Woche zuvor eingesetzt haben. Auf geht’s nach Peterborough in das neue Kanumuseum (immer wieder schön), nicht ohne den klassischen Abschlussburger unterwegs zu futtern.
……….
So – eins muss ich doch noch los werden – Nachklapp vor allem zu Zeltplatz Nr 2.
Ich bin immer wieder fasziniert von der selektiven Wirkung der irdischen Schwerkraft. So erhöht sich die Erdanziehung erheblich bei der vermehrten Anwesenheit von Menschen, sobald Gegenstände verbraucht oder beschädigt sind. So auch hier. Der hinterlassene Müll an manchen Feuerstellen insbesondere vor der ersten Portage zeugt von diesem Effekt, zu dem sich die Physik nicht äußert. Ist das nun unerklärliche Esoterik oder schlichte Ignoranz und Dummheit?
Meine Gedanken dazu sind eher nicht druckreif, dabei fällt mir ein, dass sich Paddel zum Verprügeln von vollidiotischen Exemplaren der Spezies homo sapiens geeignet wären, die ihren Dreck wirklich überall verstreuen. Und sich dann nach einer doch sehr entspannten und überschaubaren Runde wie die hier beschrieben zu Hause mit dem Überleben auf einer gefährlichen Expedition brüsten (inkl. der völlig bescheuerten Riesenmesser am Gürtel, die für nix wirklich gebraucht werden).
…aber ich schweife ab – oder doch nicht? Die genannten Kollegen, die noch schwelende, mit Müll und halb verkohlten Baumstämmen verseuchte Feuerstellen und Zeltplätze hinterlassen sind nicht nur zu Hause, sondern auch hier anzutreffen. Ballermann und Containersendungen sind für dieses Publikum doch eher passend, und dort sollten sie auch bleiben. Wer Natur nicht schätzen kann, hat in dieser nichts verloren.






















