An Dänemarks Küsten

Der eine oder die andere erinnert sich vielleicht an die Wikingerausstellung 2008 im historischen Museum hier in Speyer: zu sehen waren Holzschiffe /-boote, Waffen, Handelsgüter. Ganz bis in unsere Stadt hatten es die Krieger in ihren schnellen Schiffen nicht geschafft, im neunten Jahrhundert plünderten sie jedoch Köln, belagerten Koblenz und verwüsteten u.a. auch Trier. Danach verlagerten sich die Raubzüge mehr u.a. in Richtung Britannien, die friedlicheren Handelskontakte der Wikinger führten bis über das Schwarze Meer hinaus. Dänemark wurde für eine Weile bis ins 11 Jahrhundert das Zentrum eines großen, von streitbaren Wikingern mitgeprägten Reiches.

Im 21. Jahrhundert ist die Begegnung mit den Nachfahren dieser streitbaren Menschen eher ungefährlich. Boote gibt es weiterhin, und jede Menge erruderbare Küste. Auf die Anregung von Philipp hin, der einige Jahre in Kopenhagen verbracht und dort auch rudern gelernt hat, machen wir uns also im Juli zu fünft auf, um eine gute Woche an den Küsten Dänemarks zu verbringen.

Aus drei Richtungen kommend landen wir – Philipp, Petra, Heike, Andreas, Claudia – Samstag nachmittags in Stege auf der Insel Møn. Samuel – ein Schweizer, der schon lange in Dänemark lebt – wird uns die nächste Woche betreuen, und erwartet uns bereits. Im Stege Roklub liegen zwei küstentaugliche Seegigs (2+) des Hellerup Roklub, die wir nutzen dürfen, genauso wie später bei der Roforeningen KVIK in Kopenhagen. Es handelt sich um breite Inrigger Boote, d.h. die Dollen sitzen auf der Bordwand, die Rudernden quasi gegenüber. Form, Breite und Verarbeitung mit Abdeckungen und weniger empfindlichen Ausbau machen die Boote recht wellengängig, was wir auch mehrmals austesten.

Los geht‘s: das Wetter zeigt sich bei unserer Ankunft von seiner besten Seite, wir lassen die zwei Boote zu Wasser, bekommen eine schnelle Einweisung, wie wir uns zu verhalten haben. Mannschaft, Rettungswesten, Fotoapparate usw. ins Boot – und der Wind lässt nach. Wir rudern Richtung untergehende Sonne zu unserem Standquartier, das uns die nächsten paar Tage zur Verfügung steht, eine Ferienwohnung in Nyord. Ein Ort mit etwa 35 Einwohner auf einer winzigen Insel, mit kleinem Hafen, Salzmarschen und einem Naturschutzgebiet. Idyll pur.

Die nächsten drei Tage rudern wir rund um die Insel und das zugehörige Wattgebiet, auf die gegenüberliegende Seite nach Kalvehave und Jungshoved. Neugierige  Kegelrobben stecken ihren Kopf hinter uns aus dem Wasser: immer in sicherem Abstand und zwischen Wellenkämmen. Trotz der generell dichten Besiedlung Dänemarks wirkt die Gegend hier gerade idyllisch: viele Meeresvögel, Schilfufer, Weite für’s Auge, Ruhe abgesehen vom Rauschen des Windes und der Wellen. Wir lernen, wie man mit und gegen den Wind die Wellen ansteuert und abreitet – so brav wie am ersten Abend ist das Meer die nächsten Tage nicht mehr.

Bis wir nach getaner Arbeit abends an typisch dänisches Essen wie Smørrebrød [PK1] oder gar richtigen Fisch kommen, sind wir schon in Kopenhagen. Neben eigenen Kocheinheiten haben wir bei den Lokalen in Nyord oder Stege Pech: entweder sind sie geschlossen, belegt oder es gibt nur (noch) Burger. Dieses kulinarische Highlight verfolgt uns, wir erklären es schon zum Nationalgericht; erst in Kopenhagen wird die Auswahl besser.

Umzug in die Hauptstadt Dänemarks für weitere vier Tage. Kontrastprogramm zum ländlichen Nyord – jetzt die Metropole. Nach dem Einchecken in ein an uns vermietetes Privathaus mit viel Platz rudern wir noch eine Tour von der Roforeningen KVIK zum Bryggens Roklub, der wegen seiner zentralen Lage für drei Tage unser Bootsquartier sein wird. Unterwegs legen wir zur Stärkung an der Partymeile von Kopenhagen an und rudern schon mal testweise durch einige Kanäle. Zurück in unsere Herberge geht’s per Wasserbus, S- und U-Bahn. Mit leichten Verbindungsproblemen, aber wir schaffen’s dann doch.

Der nächste Tag führt uns etwas südlich aus Kopenhagen heraus, ins Arken Museum für moderne Kunst. Das einem gestrandeten Schiff nachempfundene Gebäude beinhaltet Dänemarks größten Ausstellungsraum, Platz für große Exponate und Installationen. Auch dem Café, das nach reichlichem Kunstinput angesteuert wird, ist das Vorbild Schiff anzusehen. Zurück in die Stadt geht’s unter riesigen Windrädern, diesmal zur Abwechslung mit Seiten-/Schiebe statt Gegenwind.

Wir nutzen auch die Zeit, um eine Sightseeingtour durch Kopenhagen mit dem Boot zu machen. Durch zig Wasserwege, mit Besichtigungen, Cafés, endlich vielfältigem Smørrebrød im 1733 (nein: nicht 1735) und gehaltvollen bräunlichen Flüssigkeiten. Die Wohnungen direkt am Wasser an z.T. sehr schmalen Kanälen sind beeindruckend, aber nichts für normale Geldbeutel. Man lernt Kurven zu rudern.

Um die dem starken Wind ausgesetzte nördlichen Umfahrt des Stadtgebiets zu vermeiden, fahren wir die Boote auf Wägelchen über die deutlich kürzere Straßenstrecke zu ihrem richtigen Lagerplatz zurück. Als Abschluß gibt es eine Testfahrt im 4er Coastal. 

Am letzten Tag fahren wir in einem 4+ Inrigger und einem 2+ Coastal unterstützt von weiteren Ruderern des KVIK Rudervereins nach Norden an Stränden, Villen und viel Natur vorbei bis Skodsborg.

Abschluß Samstag abends im „Seaside“ an eben jener. Zur großen Freude der Autorin gab es neben prima Meeresfrüchten auch ein „Anarkist Bloody Weizen“. Damit läßt sich die lange Rückfahrt am folgenden Tag gut ertragen .

Technisches: In den Karten seht Ihr die „Kringel“, die wir gerudert sind. Für’s Inriggerrudern sollte man die Basics des Riemenruderns drauf haben, und es ist hilfreich, wenn der Rollsitzhintern mehr als 2 Stunden aushält. Beim Ausleihen der Boote wird für jedes Boot ein Besatzungsmitglied mit dem Langtursteuermannspatent gefordert (ähnlich dem SKS-Schein der Segler, angepasst an die Anforderungen für Ruderer an der dänischen Küste). Für die, die immer auf dem Wasser waren, kamen 176 Kilometer zusammen. Wind und Wellen gab’s aus allen Richtungen, viel Natur in den ersten Tagen und dann eine Stippvisite in der Kulturhaupstadt Europas von 1996 und der Welthauptstadt der Architektur 2023. Natürlich gibt Kopenhagen weitaus mehr her, als nebenbei zu erkunden war. Mein Plan, in Roskilde alte Wikingerschiffe anzusehen scheiterte leider an anderen Terminen – könnte aber in Kombination mit einem recht bekannten Musikfestival nachgeholt werden. Dänemark ist mehr als eine Reise wert – die heutigen Wikinger nutzen die Axt im Allgemeinen nur noch für Brennholz und stellen letzteres auch gerne Touristen zur Verfügung.